Wir warten auf das 'große Go' ! : Perspektiven für den zukünftigen Umgang eines Autoherstellers mit dem Elektrofahrzeug

In der Diskussion um die Zukunft des Elektrofahrzeugs liegt die Aufmerksamkeit noch immer sehr stark auf technologischen und marktseitigen Entwicklungspotenzialen. Betrachtet werden hierbei v.a. die Batterietechnologie oder die kundenseitige Akzeptanz und Aufpreisbereitschaft für diese Technologie. In der vorliegenden Arbeit wird hingegen der Blick auf die Organisation eines Autoherstellers gerichtet, um mögliche organisatorische Auswirkungen durch das Elektrofahrzeug nachzuzeichnen. Als Startpunkt wird hierbei die gedankenexperimentelle Annahme eines signifikanten Anteils an Elektrofahrzeugen i.H.v. 40% im Portfolio eines Autoherstellers im Jahr 2040 gesetzt, um den Fokus von der Diskussion gegenwärtiger Rahmenbedingungen rund um das Elektrofahrzeug zu lösen und auf einen weiten und ambitionierten Horizont zu richten. Zusammen mit Experten aus verschiedenen Unternehmensbereichen eines Autoherstellers wurden hierzu innerhalb eines Backcasting- und Roadmappingprozeses sowie diversen Interviewrunden die organisationsinternen Konsequenzen einer solchen gedankenexperimentellen Annahme erarbeitet. Die wesentlichen Ergebnisse sind: Um einen Elektrofahrzeuganteil i.H.v. 40% bis zum Jahr 2040 zu erreichen, müsste eine entsprechende strategische Ausrichtung des Unternehmens sofort erfolgen. Gegenwärtige technologische Restriktionen des Elektrofahrzeugs müssten (und könnten) zwar zunächst durch innovative Komplementärdienstleistungen kompensiert werden; mit einem quantitativen Hochlauf zu produzierender Elektrofahrzeuge würde jedoch bald ein elektromobiler Produktentstehungsprozess (E-PEP) notwendig, bei dem Mobilität zum Kernprodukt des Autoherstellers werden könnte - und damit der Autohersteller langfristig zu einem automobilherstellenden, elektromobilen Mobilitätsdienstleister würde. Infolge eines sich verändernden Selbstverständnisses vom Autohersteller zu einem (elektromobilen) Mobilitätsdienstleisters könnte sich das interne Einflussgefüge zwischen den Unternehmensbereichen mitunter tiefgreifend verändern: Mit der unternehmensinternen Konjunktur (elektromobiler) Mobilitätsdienstleistungen würde die Produktdefinition maßgeblich durch die marktnahen Unternehmensbereiche (v.a. Vertrieb und Finanzdienstleistungen) geprägt; die aktuell mächtigen und produktnahen Unternehmensbereiche (v.a. Entwicklung und Produktion) verlören mit der Deutungshoheit über das Kernprodukt des Unternehmens damit auch deutlich an unternehmensinternem Einfluss. Neben den verschiedenen technologischen, vertrieblichen oder marketingseitigen Herausforderungen würde die Transformation von einem Autohersteller zu einem (elektromobilen) Mobilitätsdienstleister v.a. zu einer immensen Managementherausforderung, in der jeder Unternehmensbereich eine eigene Transformationsgeschichte würde durchlaufen müssen. Die Bewertung dieser Ergebnisse durch die beteiligten Experten zeigt ein uneinheitliches Bild: Einerseits wird die aktuelle Innovationsfähigkeit des Unternehmens für strategische Großinnovationen wie das Elektrofahrzeug als gering eingeschätzt; andererseits wird dem Unternehmen zugetraut, die skizzierte Transformation zu einem (elektromobilen) Mobilitätsdienstleister bis 2040 mit einem Anteil von 40% Elektrofahrzeugen zu bewältigen. Dem Top-Management, das aktuell sein Hauptaugenmerk auf konventionelle Antriebe und Geschäftsmodelle zu legen scheint, wird trotz dieser scheinbaren Vernachlässigung des Elektrofahrzeugs dennoch die Fähigkeit zugesprochen durch das Verkünden eines 'großen Go!' das Unternehmen in (sehr) kurzer Zeit zu einem (elektromobilen) Mobilitätsdienstleister zu wandeln.
In the discussion about the future of the electric vehicle focus still lies on its technological and market potential. Particularly, objects of discussion are the battery technology, customer acceptance or acceptance of a price premium for electric vehicles. However, the present study focusses on organizational effects within a car manufacturer arising from the electric vehicle. Instead of focusing on the current state of discussion the starting point of the study is a gedankenexperiment which assumes a 40 percent share of electric vehicles in the carmaker’s portfolio in the year 2040. Within a combined backcasting and roadmapping process as well as several interview sessions a group of the car manufacturer’s (internal) experts working in different division identified relevant organizational consequences of the underlying gedankenexperiment. Key findings were: For achieving a 40 percent share of electric vehicles until the year 2040 the carmaker has to define such a strategic goal immediately. For the beginning, current technological restrictions of the electric vehicle should (and could) be compensated by innovative and complementary services; in the medium term, however, producing a high number of electric vehicles requires a specific electromobile product creation process, which defines mobility as its core product. In the long run, the carmaker might turn into a carmaking (electromobile) mobility service provider. As a result of a changing self-conception from a traditional carmaker to a mobility service provider a shift in the internal power structure of the analyzed carmaker’s divisions might occur: With growing influence of (electromobile) mobility services the product specification might be defined by divisions close to the market (i.e. sales and financial services divisions); the currently powerful product-oriented divisions (i.e. technical development and production divisions) might lose influence within the organization. Aside from several challenges regarding technical or marketing and sales issues the car manufacturer’s transformation to a (electromobile) mobility service provider would result in an enormous management challenge. Each division has to create its own transformational path. The experts’ evaluation of the results obtained was heterogeneous: On the one hand, the company’s current capacity for radical innovation, as for example the electric vehicle, has been estimated low. On the other hand, the outlined path for the company’s transformation to a mobility service provider with a 40 percent share of electric vehicles in 2040 has been assessed to be realistic. Despite the present focus on conventional technology, the carmaker’s top-management has been estimated being able to exclaim a 'big go!' and, thus, to transform the carmaker to a mobility service provider quickly, even though the electric vehicle seems to be neglected at the moment.

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Metadaten
Author:Ingo Kucz
URN:urn:nbn:de:gbv:834-opus-1938
URL:https://opus.hbk-bs.de/frontdoor/index/index/docId/193
Referee:Stephan Rammler, Gereon Uerz
Document Type:Doctoral Thesis
Language:deu
Date of Publication (online):26.05.2014
Date of first Publication:26.05.2014
Publishing Institution:Hochschule fuer Bildende Künste Braunschweig
Granting Institution:Hochschule fuer Bildende Künste Braunschweig
Date of final exam:27.03.2014
Tag:E-PEP; Mobilitätsdienstleistung; Roadmapping; organisationaler Transformationsprozess
electric vehicle; electromobile product creation process
SWD-Keyword:Elektrofahrzeug; Elektromobilität; Kraftfahrzeugindustrie; Produktentwicklung
BKL-Classification:52.56 Regenerative Energieformen, alternative Energieformen
55.21 Kraftfahrzeuge
Branches:Industriedesign
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