38 search hits
-
Schlägel, Eisen und Hakenkreuz : das Thema Bergbau im Werk des Malers Karl Reinecke-Altenau
(2010)
-
Kai Gurski
- Die kunstwissenschaftliche Arbeit „Schlägel, Eisen und Hakenkreuz – Das Thema Bergbau im Werk des Malers Karl Reinecke-Altenau“ von Kai Gurski befasst sich mit einer Künstlerpersönlichkeit der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, die im kulturhistorischen Kontext ihrer Heimatregion gewisse Bedeutung erlangte: So wurde Karl Reinecke-Altenau (1885-1943) bereits ab den 1920er Jahren von Zeitgenossen als regionalkulturelle Identifikationsfigur des Harzes, speziell des Oberharzes, wahrgenommen. Sowohl im Selbstverständnis des Künstlers als auch in der Rezeption durch die bürgerliche Kunstöffentlichkeit wurden seine Bilder als bedeutsame Ergebnisse einer intensiven künstlerischen Auseinandersetzung des Malers mit der Harzer Landschaft und Regionalkultur und speziell mit dem von der Bergbautradition geprägten Volkstum begriffen. In der Tradition der Kulturreform- und Heimatschutzbewegung des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts kehrte der Künstler >Volkstümlichkeit<, >Bodenständigkeit< und >Natur- und Heimatverbundenheit< als grundlegende Wertebasis seiner Identität und seines künstlerischen Selbstverständnisses in seinem Auftreten, in seinem künstlerischen Schaffen sowie in diversen als volkstums- und landschaftspflegerisch begriffenen Aktivitäten demonstrativ hervor. Diese Hinwendung zu einer vermeintlich originär volkstümlichen Kulturtradition und zu einem provinziellen Landschaftsraum begriff der Künstler – in Einvernehmen mit einem großen Teil der bürgerlichen Gesellschaft – als Kritik an der modernen international ausgerichteten, industrialisierten, urbanisierten Zivilisation. Mit volksbildender kulturreformerischer Intention wandte sich Reinecke-Altenaus Schaffen an eine gesellschaftlich breite Öffentlichkeit im Harz sowie an ein großstädtisch-bürgerliches Kunstpublikum in Hannover und fand an beiden Orten zeitlebens allgemeine Anerkennung. Sein Weltbild wies – bereits in den 1910er Jahren erkennbar – deutsch-völkische Ideologiemomente auf, die in seinem Werk im Verlauf der 1930er Jahre in verstärktem Maße zu Tage traten. Wissentlich und willentlich stellte er nach 1933 seine Arbeit vielfach in den Dienst nationalsozialistischer Organisationen, insbesondere in den Dienst der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Weder seine Förderer noch die zeitgenössische Kunstöffentlichkeit oder er selbst fassten diese Auftragsarbeiten als simple Propaganda auf, sondern begriffen sie als Kunst, die aus einem regionalspezifisch originären, dezidiert deutschen Volkstum erwächst und in der etablierten bürgerlichen Kunsttradition des 19. Jahrhunderts steht. Reinecke-Altenaus Schaffen ist ein repräsentatives Beispiel für eine bewusst konservative Strömung innerhalb der deutschen Kunst der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, die sich auf einem bürgerlichen Kunstverständnis des 19. Jahrhunderts bauend als Gegenposition zur elitär aufgefassten künstlerischen Avantgarde definierte und in jenen Jahren eine breite öffentliche Akzeptanz erfuhr. Die Arbeit Kai Gurskis begegnet der kunst- und kulturgeschichtlichen Thematik mit einem historisch-kritischen Ansatz. Neben der empirischen Untersuchung repräsentativer Bilder Reinecke-Altenaus wird das Werk des Künstlers im geistesgeschichtlichen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Kontext und unter seinen zeithistorischen Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen betrachtet. Im Fokus der Untersuchung steht beispielhaft die Bildthematik des Bergbaus, der aufgrund seiner Schlüsselrolle für die Harzer Kulturgeschichte ein zentrales Moment im heimatbezogenen Selbstverständnis Reinecke-Altenaus ausmachte und in den 1930er und 1940er Jahren das Hauptthema seiner im Auftrag entstandenen repräsentativen Wandbilder war.
-
"Do you believe in Photographs" Fotografisches Zeigen und Erscheinen in Jerry Berndts Serie The Miraculous Photographs of Bayside
(2022)
-
Sarah Frost
- Der US-amerikanische Fotograf und Fotojournalist Jerry Berndt (1943–2013) hat seit den frühen 1960er Jahren ein umfangreiches Werk hervorgebracht, das zeigt, wie konzeptuell-vielgestaltig das Dokumentarische in Erscheinung treten kann. Ungeachtet seiner immensen Produktivität, befindet sich Berndts Œuvre erst im Beginn einer wissenschaftlichen wie institutionellen Erschließung. Mein Promotionsprojekt erfüllt dieses Desiderat einer Aufarbeitung und entwickelt eine multiperspektivische Sicht auf das Werk des Fotografen.
Gegenstand meiner Analyse ist die bisher unveröffentlichte Serie The Miraculous Photographs of Bayside (1980/81), die Berndt anlässlich des zehnten Jahrestages einer vermeintlichen Marienvision im New Yorker Stadtteil Queens begonnen hat. Die Anhängerschaft des Mediums Veronica Lueken, einer katholischen Hausfrau, von über tausend Gläubigen pilgerte in der Nacht des 18. Juni 1980 in den Flushing Meadows Corona Park und zelebrierte ein fotografisches Erscheinungsritual: Ihrem Glauben nach empfingen ihre Sofort-Bild-Kameras Nachrichten der Jungfrau Maria in Form von Lichtschrift auf den instantanen Bildern, den sogenannten Miraculous Photographs.
Als Atheist trat Berndt aus medialem und anthropologischem Interesse an die Gemeinschaft der Baysider heran und produzierte ausgehend von mehr als einem Dutzend Besuchen ihrer Rituale über 100 Fotografien (Schwarzweiß-, Farbfotografien und mit Schrift kombinierte Fotomontagen), die er in verschiedene Formate übersetzte (Fotobuch, Reportage, Essay, Vortrag, Ausstellung und kollektive Reenactments). Anhand dieses medienübergreifenden Korpus’ diskutiert meine Dissertation grundlegende Handlungsstrategien und Werkkonzepte des Fotografen, bindet diese in sein Gesamtwerk sowie den fototheoretischen und historischen Kontext ein und konfrontiert sie mit der transzendenten Vorstellung vom Fotografischen (dem Medium, dem Sujet und der Gebrauchsweise) der Gläubigen.
Während die katholischen AmateurfotografInnen die Kamera als Kommunikationsmittel mit einem göttlichen Jenseits gebrauchten und ihre Polaroids als Vera Ikon verehrten, nutzte Berndt in seiner Doppelrolle als Fotojournalist und Künstler die Fotografie zur Aufzeichnung und kritischen Reflexion des religiösen Phänomens und ihrer ProtagonistInnen. Somit fallen in seiner Serie konträre Botschaften, Gesten und deiktische Absichten ineinander und stellen die fotografische Beweiskraft zur Disposition.
Die fotografische Sichtbarkeit von Berndts Bayside-Serie konstituiert sich aus einem Netz an AkteurInnen, Praktiken und Diskursen, das ich in meiner Dissertation sukzessive heraus- und gegeneinander stelle. In der Untersuchung dieser kulturellen und sozialen Gefüge kristallisiere ich eine Reihe von Bezügen zwischen dem Dispositiv der Sofort-Bild-Fotografie, deren Nutzung durch die Baysider und deren Transformation durch Berndt heraus. Als operatives Instrument dient mir insbesondere der Begriff des Gespenstischen , durch den sich zum einen die spiritistische Praxis der Gläubigen, ihre Evokation jenseitiger Phänomene mittels der Polaroidfotografie und deren rituelle Deutung fassen lässt, wie auch die inkongruenten Wahrnehmungsschritte, die die BetrachterInnen von Berndts Bayside-Fotografien durchlaufen.
In den Miraculous Photographs artikuliert sich ein fotografisches Transzendenzversprechen, das sich für die Gläubigen mit jedem fotografischen Akt erneut erfüllte. Berndt hat das Spektrum ihrer rituellen Praktiken (beim Fotografieren, staunenden Betrachten, Zeigen, Beten und der Prozession) vielfach und facettenreich festgehalten und stellt damit die Sofort-Bild-Fotografie als Evidenz stiftende Quelle ihres Glaubens heraus. Seine Fotografien gewähren der körperlichen Deixis der Gläubigen immensen Entfaltungsraum und vermitteln den Kern ihrer Botschaft („Sieh das! Glaub das!“) unmittelbar an die BetrachterInnen. Doch in der Vehemenz, mit der der Fotograf jenes Transzendenzversprechen durch die Exponierung ihrer Gestik, Mimik und – in den Fotomontagen – auch durch die Textzugaben betont, stellt er ihren religiösen Glauben an die Fotografie zugleich zur kritischen Diskussion. Plurale Bilder, Zeiten, Räume und deiktische Intentionen lenken den Blick auf piktorale Leerstellen, Brüche und Widerhaken und erzeugen ein kontinuierliches Changieren materieller und imaginierter Un/Sicht-barkeiten. So unterwandert Berndt die Behauptung von fotografischer Transzendenz der Baysider nicht direkt, sondern integriert die BetrachterInnen als Konvergenzpunkt des Blickgefüges in die Bilddynamik und fordert sie zur gedanklichen Verhandlung der allgegenwärtigen Frage auf: „Do you Believe in Photographs?“
Das Gespenstische wird hier als ein heterogenes Bedeutungsspektrum verstanden, das von konkret wahrnehmbaren Phänomenen bis hin zu imaginären, diskursiven Figuren einer Gespenster- oder Geisterfotografie reicht.
Das Zitat Berndts ist ein alternativer Titel der Bayside-Serie, den der Fotograf neben einer Reihe von weiteren Titeln in unserem Interview spontan entwarf. In der direkten Ansprache reflektiert sich das fotografische Transzendenzversprechen als Argument der Baysider, aber auch Berndts Bildstrategie, die die BetrachterInnen selbst zum Nachdenken über diese wesentliche Frage anregt, die das fotografische Bild seit seiner Erfindung aufwirft. Vgl. Jerry Berndt, in: Sarah Frost, ebd.: Interview with Jerry Berndt, Paris 2012, S. 256-273, in: Sarah Frost: “DO YOU BELIEVE IN PHOTOGRAPHS? – Fotografisches Zeigen und Erscheinen in Jerry Berndts Serie The Miraculous Photographs of Bayside”, Braunschweig 2022, S. 271.
-
Under Construction // Über die (Vor-)Bedingungen und Möglichkeiten von subversiven Körpertechniken im Netzfeminismus
(2022)
-
Katrin Eva Deja
- Das Dissertationsprojekt versucht, die Bildästhetik des Netzfeminismus einzuordnen und stellt sich hierbei die Frage, wie feministisch-subversive Körpertechniken aussehen können und inwiefern die Machttechniken auf Instagram diese beeinflussen bzw. diese hervorbringen. Es wird dabei ein Fokus auf die Gouvernementalitätstheorie von Foucault und die Geschlechtertheorie von Butler gelegt. Demnach wird ein poststrukturalistischer Ausgangspunkt der Betrachtung von Subjektkonstitutionsprozessen sowie der Subversionsdefinition gewählt. Der Feminismus wird hierzu diskursanalytisch beleuchtet, wobei der Schwerpunkt auf feministisch-subversive Bildtechniken in Form von (fotografischen) Selbstinszenierungsmechanismen in der Kunst und in subkulturellen Bewegungen gelegt wird. Die Social Media Plattform Instagram wird anschließend anhand der digitalen Subjektivierungsmechanismen und der netzwerkimmanenten Wissenssysteme analysiert, die sich auf das Verhalten und die Inszenierung des Users auswirken. Instagram wird diesbezüglich sowohl innerhalb seiner Reglementierungen als auch innerhalb seiner heterotopen Potenziale besprochen. Der Netzfeminismus bildet hierzu die Ausweisung der Heterotopie, die anhand von subversiven Körpertechniken in Selfies beleuchtet und kunsthistorisch als auch marktfeministisch in Form von Fallbeispielen besprochen und analysiert wird.
Der Netzfeminismus liegt zwischen der Affirmation und der Subversion und ist von Widersprüchen geprägt. Dennoch zeigt die Arbeit zentrale feministische Errungenschaften auf, bei denen es um eine inklusive Sichtbarkeitspolitik geht, die weitergehender zu interpretieren ist als ihre spezifischen Bildästhetiken.
-
Maschinen der Konkurrenz : eine Untersuchung von Kennzahlen als Praxis reflexiver Subjektivierung am Beispiel von Ökologischem Fußabdruck und Selbstvermessung
-
Stefan Böhme
- Unsere Gesellschaft steht am vorläufigen ›Höhepunkt‹ einer langdauernden Entwicklung der zunehmenden Verdatung. Diskurse und Praktiken der Quantifizierung, Standardisierung, Optimierung, Objektivierung oder Evaluation durchdringen sie auf vielfältige und intensive Weise. Im engen Verbund mit Normalität sind sie eines der vorherrschenden Mittel zur Orientierung und (Selbst-)Regulierung der Subjekte geworden. Als ein zentrales Element dieser Felder werden in der vorliegenden Studie Kennzahlen beschrieben. Macht-Wissens-Komplexe des Dispositivs der Verdatung produzieren mithilfe von Kennzahlen eine kalkulierende und kalkulierbare Wirklichkeit, die sich in einer Vielzahl an Diskursen, Praktiken und Vergegenständlichungen ausdrückt und sich gleichermaßen in den Vorstellungen, Annahmen und Grundsätzen niederschlägt, welche Menschen prägen und ihre Handlungen bestimmen. Exemplarisch verdeutlichen lässt sich dies an Kennzahlen aus dem Themenfeld der Nachhaltigkeit wie dem »Ökologischen Fußabdruck« oder aktuellen Praktiken der Selbstvermessung aus dem Umfeld des »Quantified Self«. Kennzahlen stellen dabei vor allem Vergleichszusammenhänge her. Ihre grundlegende Konstruktion zielt darauf ab, Felder zu homogenisieren, zu kontinuieren und somit eine eindimensionale Struktur hervorzubringen. Sie vereinheitlichen Dinge, um sie besser voneinander unterscheiden zu können. In dieser Hinsicht sind Kennzahlen Voraussetzung jedes hierarchisierten Vergleichs. Die Verdatung unserer Gesellschaft läuft folglich eng gekoppelt mit ihrer Verwettbewerblichung. Kennzahlen sitzen an der Schnittstelle dieser beiden Entwicklungen. Der maßgebliche Effekt von Kennzahlen innerhalb des Ensembles der Verdatung ist demnach die Produktion von Konkurrenzen: Kennzahlen sind Maschinen der Konkurrenz.
-
Räumliche Befunde entwerfenden Handelns. Das widersprüchliche Verhältnis von räumlicher Trialektik und dem Einsatz digitaler Medien in partizipativ und kollaborativ angelegten kreativen Projekten
(2022)
-
Dirk Bei der Kellen
- Die Dissertation geht der Frage nach, ob kreative Projekte gelingen können, wenn die handelnden Personen nicht unmittelbar in einem physischen Raum zusammen sind. Dies geschieht vor dem Hintergrund aktueller Trends digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien, die der-zeit den Eindruck vermitteln, dass Kollaboration und Teilhabe in Designprojekten quasi losgelöst von gemeinsamer physischer Vor-Ort-Anwesenheit nicht nur machbar sind, sondern dass die Kreativität in Projekten durch die freie Ortswahl sogar noch beflügelt werden könne. Manche sprechen dabei sogar vom „neuen normal“. Diese optimistische Annahme wird in der Dissertation in vier Projektstudien auf die Probe gestellt. Es wird hinterfragt, ob das wirklich so ist und wie sich Kreative in Projekten räumlich organisieren. Der Autor wählt dazu eine trialektische Perspek-tive, die zwischen wahrgenommen, vorgestellten und gelebten Raum unterscheidet.
Methodisch stehen Fall- bzw. Projektstudien im Mittelpunkt. Mit einer initialen Projektstudie wird hinterfragt, ob der Einsatz digitaler Medien überhaupt als Ursache für Design auf Distanz gewertet werden kann. Diese Annahme wird mit Blick auf ein modernes Projekt der vordigitalen Zeit verworfen. Das führt zur Frage, ob die Verortung in Design-Projekten überhaupt eine Rolle spielt. Die daraus folgende Projektstudie klärt, dass räumliche Organisation nicht unbedeutend für Designerinnen und Designer ist. Mit der Erkenntnis, dass selbst erfahrene Designer mitunter in ihrer eigenen Projekt-Verortung scheitern, wird der Aufwand für die nachfolgende Feldforschung in einem aktuellen Designprojekt gerechtfertigt. In der dritten Projektstudie wird nun der Fokus auf den aktuellen Trend der Partizipation unter besonderem Augenmerk des Medieneinsatzes gelegt. Dabei wird festgestellt, dass Planende nicht nur den Zugang zu digitalen Werkzeugen re-geln, sondern Teilhabe am Projekt auch mittels analoger Verfahren steuern. Beispielsweise mit einer strengen Sitzordnung, die sich potentiell dämpfend auf mögliches Co-Design auswirkt. Die-ser Befund wurde nachfolgend in einem experimentell angelegten Designprojekt bestätigt gefun-den. Hier zeigte sich, dass im Computer generierte CAD-Raummodelle eines neu zu gestaltenden Klassenzimmers für Berufsschüler weniger originell sind, als vergleichbare handwerklich gebastel-te Dioramen, die nach einer robusten räumlichen Intervention entstanden sind.
Die Dissertation kommt zu dem Schluss, dass medial vermittelte Kollaboration in Projekten für an Effizienzfragen ausgerichtet Aufgabenstellungen möglicherweise Sinn ergibt, dass diese Per-spektive aber für kreative Aufgaben so nicht einfach übernommen werden kann. Für kreative Pro-jekte kommt es darauf an, mit Irritationen und Projektentwicklung zunächst die Voraussetzung für Design auf Distanz zu schaffen. Die Dissertation richtet sich an Forschende und an Planende, die an Organisationsfragen interessiert sind, ob und wie sie Kreativität in räumlich verteilten Pro-jekten fördern und bewahren können.
-
Unternehmerische Beziehungsgestaltung am Beispiel der Kulturphänomene sozialer und ästhetischer Kommunikationen
(2006)
-
Carina Beeke
- Die designtheoretische Arbeit „Unternehmerische Beziehungsgestaltung am Beispiel der Kulturphänomene sozialer und ästhetischer Kommunikationen“ untersucht das Kommunikationsdesign von Unternehmen im Hinblick auf ein subtil zugrunde liegendes Weltbild und Denken, welche in der Arbeit als überlebt analysiert werden. Der Kern der Arbeit ist, dass Unternehmen auf der Grundlage eines veralteten, mechanistischen Weltbildes agieren und eine andere Intelligenz entwickeln müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Damit stehen der Zukunftsaspekt sowie die Gestaltung andersartiger Denkstrukturen im besonderen Untersuchungsfokus. Es wird aufgezeigt, dass geistige Evolutionstheorien und transpersonal-ökozitäre Optiken in Design-Entwürfen integriert werden müssen, um zu einem neuen Verständnis von Marketing und Kommunikation zu gelangen. Die Arbeit vertritt die These, dass die Ära des Manipulationsmarketings ihren Zenit überschritten hat, mit ihren auf Affektlogik beruhenden Modellen und behavioristischen Methoden, die Looks und Styles kreieren, und fundamentale Sinnbedürfnisse des Menschen zu verkaufsfördernden Argumenten verkommen lassen. Die Auswirkungen auf die einzelne und globale Psyche sind verheerend: das Annehmen von ständig neuen Werten und Ichs, die durch die Werbung generiert werden, führt dazu, am Ende gar keine Identität zu haben. So wird eine Gesellschaft gestaltet, die unauthentisch ist und persuasiv fremdgesteuert wird. Surrogathaft an allen Veranstaltungen ist, den Konsumenten als Appendix der Produktionssphäre zu bedienen und ihn gleichzeitig ökonomisch zu instrumentalisieren. Die Arbeit zeigt, wie das Fundament einer solchen Logik heute brüchig geworden ist. Der Konsument wandelt sich und wird sich zukünftig immer öfter für Unternehmen entscheiden, die fähig sind, kulturelle Aspekte von Sinn und Transzendenz in ihrer inneren Unternehmenskultur mit Leben zu füllen. Kultur als eine Fassade, die hinter den Eingangstoren der Konzerne keine Daseinsberechtigung hatte, da dort einzig die Rationalität des ökonomischen Prozesses waltete, ist obsolet geworden. Unternehmen werden in dieser Abhandlung nicht als selbstbezüglichen Orte von Produktionen und Dienstleistungen dargestellt, sondern sie werden als kulturelle Bezirke etabliert, die Beziehungen zu einer kulturellen Umwelt unterhalten. So müssen Unternehmen postmodern nicht mehr nur ökonomisch, sondern vor allem auch kulturell überleben. Die kulturelle Neu-Positionierung des postmodernen Unternehmens folgt aus den Tendenzen der Kunst, Wissenschaft und Philosophie. Die neue kulturelle Haltung ist keine Erfindung, sondern ihre Innovation beruht auf einem geschichtlichen Prozess. Die formulierten Begründungen der Notwendigkeit einer Erweiterung der herkömmlichen Sichtweisen durch soziale und kulturelle Evolutionsprozesse münden in der Arbeit in der Tiefe der Bewusstseinsevolution, die mittels einer Bewusstseinsmatrix dargestellt ist. Diese beruht auf anthropologischen als auch tiefenpsychologischen Ansätzen. Ein holistischer Ansatz wird daraus diskutierbar, hervorkeimend aus dem postmodernen Kulturprozess, sei es in der Kunst oder Wissenschaft wie beispielsweise der Quantenphysik. All dies fordert ein Design von psychologischen und kulturellen Realitäten, die nicht auf bloßen Fassaden und Looks beruhen wie potemkische Dörfer. Vielmehr geht es um Echtheit und Authentizität. Aber diese Realität ist nicht dem Wildwuchs der Beliebigkeit zu überlassen. Nötig ist ein neues Verständnis von Design, das fähig ist, Sinnrealität zu gestalten. Die Arbeit entwickelt methodisch einen postmodernen designwissenschaftlichen Ansatz: sie transzendiert traditionelle Grenzen von Fachdisziplinen im Reflex gesellschaftlicher Entwicklungen selber.
-
Zur Kreativität im Design. Die Wirkung von Sozialisation auf die Entfaltung schöpferischer Potenziale.
-
Berit Andronis
- Ziel dieser Arbeit ist es herauszufinden, was DesignerInnen bisher getan haben oder was sie tun, um sich zu einer schöpferischen Persönlichkeit mit unterschiedlichsten Facetten bzw. Eigenschaften zu entwickeln, und welche Rolle der Sozialisation zukommt.
Um diesem Anliegen auf den Grund zu gehen, gliedert sich die Arbeit in zwei Abschnitte: In einen theoretischen Teil und in eine empirische Untersuchung. Aufgrund der ersichtlichen Komplexität und Mehrdimensionalität des Themas ist es erforderlich, den Begriff der Kreativität zu betrachten. Um dieses Konstrukt mitsamt seinen Ausprägungen zu sondieren, erfolgen zuerst die Zusammenführung einzelner Zitate, dann die Entwicklung einer Definition, die Eruierung der Forschungslage und letztendlich die Generierung einer Matrix, die einen Überblick über die Forschungsaktivitäten seit Beginn der Kreativitätsforschung ermöglicht und bei der Verortung der eigenen Aktivitäten half.
Der nächste Themenkomplex fokussiert auf Forscherpersönlichkeiten und ihre Erkenntnisse. Wie im Verlauf der Arbeit zu sehen ist, wird überwiegend ein persönlichkeitsorientierter Ansatz mit dem Fokus auf Persönlichkeitseigenschaften verfolgt. Die beschriebenen Forschungsgegenstände speisen sich jedoch aus der Perspektive der beobachtenden Wissenschaftler mit ihren Methoden, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und nicht aus den praktischen Erfahrungen und dem gelebten schöpferischen Wirken. In dieser Arbeit soll nicht im Vordergrund stehen, was Kreative als Persönlichkeit für Dispositionen mitbringen. Es soll herausgefunden werden, was sie bisher getan haben oder was sie tun, um ihre Potenziale in diesem Bereich zu entwickeln.
Die psychologischen Ansätze werden um neurowissenschaftliche Positionen erweitert, da bei den bisherigen Ausführungen diese Erkenntnisse kaum berücksichtigt wurden. Die Zusammenführung der unterschiedlichen Aspekte ermöglicht ein erweitertes Verständnis für die Thematik und somit kann diese in einen entsprechenden Ansatz münden.
Die Dokumentarische Methode ist eine empirische Herangehensweise, die kreatives Denken und Handeln adäquat abbildet, wiedergibt und interpretierbar macht. Dem folgend wird ein handlungsorientierter Ansatz entwickelt, der sinnlich-praktisches Tun in der Entwicklung berücksichtigt. Dieser bezieht die Sichtweisen und Erfahrungen eines Gestalters ein und soll die bestehenden Erkenntnisse aus den genannten Bereichen keinesfalls revidieren, er ist vielmehr als Ergänzung, als Fusion zu betrachten. Mit den Interviews gelingt es praktisch herauszuarbeiten, was DesignerInnen in ihrer Kindheit, Jugend und Studium getan haben und wie sich die beschriebenen Eigenschaften und Denkweisen in der Entwicklung herausbildeten.
Folgende Erkenntnisse lassen sich aus dieser explorativen Studie ableiten:
o DesignerInnen ist es ein Bedürfnis, ihre Sinne zu trainieren.
o Das tun sie, indem sie eine Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten ausüben.
o Es gibt mindestens drei Tätigkeiten, die sie besonders fesseln.
o Sie folgen einem intrinsischen Bedürfnis und sind motiviert.
o Sie brauchen keinen speziellen Unterricht oder Mentor, sie arbeiten als Kinder und Jugendliche autodidaktisch.
o Sie verfügen über eine ausgeprägte Wahrnehmung, die sich auch in der Fähigkeit zur Imagination zeigt und die von ihnen aktiv für die Arbeit genutzt wird.
Sicherlich ist es interessant zu erfahren, welche Dispositionen ein Kreativer mitbringen muss, um kreativ agieren zu können, aber woher diese Eigenschaften kommen, blieb ungeklärt. Mit der Darstellung der psychologischen und neurowissenschaftlichen Erkenntnisse gelingt es insgesamt, die Sozialisationssphären von DesignerInnen zu untersuchen und auf diese Weise mit einer soziologischen Dimension zu verknüpfen. Mit den gewonnenen Ergebnissen lassen sich unterschiedliche Möglichkeiten ableiten, denn es wäre generell denkbar, modifizierte Komponenten in didaktische Programme einfließen zu lassen und anders gelagerte kreativitätsfördernde Konzepte zu entwickeln. Diese sollten ein vielschichtiges Training der Sinne berücksichtigen, die Integration der Selbstbestimmung verfolgen und die Fähigkeit, in einer Tätigkeit aufzugehen, fördern.
-
Osmose und Ephémère - Zwei immersive virtuelle Umgebungen von Charlotte Adèle Davies aus den Jahren 1995 und 1998
(2010)
-
Susanne Ackers
- Die Entstehung des Center for Advanced Visual Studies (CAVS) am Massachussetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, Massachussetts, Boston, im Jahr 1967 kann personell bis zum Weimarer Bauhaus zurückverfolgt werden. Die Gründung des ersten international ausstrahlenden Ortes für Medienkunst in Deutschland im Jahr 1988, dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, steht in dieser Tradition. Charlotte Davies schuf in ihrer aktiven Rolle bei der Gründung der Softwarefirma „Softimage" im Jahr 1988 zur Herstellung von dreidimensionalen Bewegtbildern eine privatwirtschaftlich getragene Produktionsstätte, in der sie unabhängig von öffentlichen Institutionen und der dort geförderten Ästhetik in den 1990er Jahre Meilensteine der Medienkunst herstellte: „Osmose" (1995) und „Ephémère" (1998). Ihre unverkennbare Ästhetik eines „Virtuellen Impressionismus" prägte indirekt auch die kommerzielle Karriere von „Softimage" und deren Anwendungen in der Filmwirtschaft zur „realistischen" Produktion von irrealen Bildwelten. Zeichnungen, Aquarelle, Ölgemälde, Fotografien, Filme, Computergrafik und ‚mixed media' Ansätze aus den Jahren 1973 - 1987 lassen die starke emotionale Verbindung von Charlotte Davies zu ihrem Heimatland Kanada erkennen. Unveröffentlichtes Tagebuchmaterial bestätigt die über Jahrzehnte hinweg verfolgbare Strategie, eigene intensive Naturerlebnisse in künstlerische Medien zu übersetzen. Diese Vision wird realisiert und gipfelt in „Osmose" und „Ephémère". Die kunsthistorische Anbindung der beiden immersiven virtuellen Umgebungen geht aus von Erwin Panofskys Ausführungen (1924/25) zur „Zentralperspektive als Symbolischer Form". Die exemplarisch für die Zeit seit der Renaissance stehende mit dem Fluchtpunkt scheinbar geschlossene Bildform wird anhand der Arbeiten von Charlotte Davies weiterentwickelt zur Figur der „Asymptote als Symbolischer Form". Die ständige Repositionierung innerhalb einer kontinuierlichen Bewegung in die Bildtiefe ist ästhetisch in den „unscharfen" immersiven Umgebungen von Char Davies erlebbar. Die kunsthistorische und philosophische Kontextualisierung von „Osmose" und „Ephémère" bietet einen neuen Aspekt an für das Verständnis der Cyberspace-Utopie der 1990er Jahre. Darauf fußend wird der Wandel des Raumbegriffs, hier im Ausblick als ‚erweiterter Raum' (‚augmented space') bezeichnet, als aktueller Diskurs fassbar: Wohin geht die Reise?