700 Künste; Bildende und angewandte Kunst
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Der Landschaftsmaler Edmund Steppes (1873-1968) und seine Vision einer "Deutschen Malerei"
(1999)
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Andreas Zoller
- In einer biographischen Studie werden die Lebensstationen, der kunstideologische Hintergrund und die Rezeption eines Landschaftsmalers analysiert, der mehrfach im Brennpunkt der künstlerischen Auseinandersetzung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stand. Steppes erfuhr seine künstlerische Genese um 1900 im Münchner Freundeskreis von Hans Thoma. In einer Einzelausstellung in Heidelberg 1906 wurde Steppes von dem Kunsthistoriker Henry Thode als Hoffnungsträger des deutschen Idealismus entdeckt und gefördert. Mit der Schrift „Die deutsche Malerei“ griff Edmund Steppes 1907 auch publizistisch in die Auseinandersetzung zwischen Neuidealisten und Impressionisten ein. Mit der Betonung der seelischen Bestimmtheit der Kunst steht er ideologisch dem zeitgleichen deutschen Expressionismus nahe.Bereits 1918 kam Steppes mit führenden Nationalsozialisten wie Dietrich Eckart und Alfred Rosenberg in Berührung, trat aber erst 1932 in ihre Partei ein. In der Auseinandersetzung zwischen deutschem Idealismus und einer sich herausbildenden rassistischen Kunstideologie und Politik zeigen sich Übereinstimmungen und Gegensätze. Obwohl Steppes sich weder künstlerisch noch ideologisch den Zielen der Partei unterwarf, fanden seine Arbeiten in der jährlichen Schauausstellung im Haus der Deutschen Kunst, München, regelmäßig Aufnahme. Nach 1945 entstand ein atmosphärisches Spätwerk, das in seiner Transzendenz den religiös überhöhten Kunstbegriff im Nachkriegsdeutschland widerspiegelt.
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Der Betrachter als Akteur : Partizipationsmodelle in der frühen Kunst des 20. Jahrhunderts
(2007)
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Veit Görner
- Neben der rein schauenden Betrachtung gibt es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis hin zur Gegenwart immer auch partizipative Werkkonzeptionen, die dem Rezipienten eine physisch aktive Rolle bei der Begegnung mit den Kunstwerken zuweisen. Anfassen, Verändern, Ergänzen, Auslösen, Mitmachen oder Interagieren sind dabei bekannte Handlungsmuster eines emanzipativen Kunstverständnisses. Die vorliegende Arbeit untersucht die historischen Avantgarden, den vorrangig italienischen Futurismus und seine russischen Varianten, die wichtigen europäischen Dada-Bewegungen, den nachfolgenden Surrealismus und übergreifend das Werk von Marcel Duchamp auf Theorien, Ansätze und Werkbeispiele, die den Betrachter aus seiner passiven, kontemplativen Rolle in eine aktive Rolle der Kunstrezeption lenken wollen. In einer allgemeinen Einleitung wird die Entwicklung der Rezeptionstheorie, mit kurzen Verweisen auf theoretische Erörterungen aus der Renaissance (Christan Garve), dem 18. Jahrhundert (Diderot, Ruskin), dem 19. Jahrhundert (Riegl), bis zu Gadamer und vor allem Kemp, im 20. Jahrhundert vorgestellt, basierend auf den sich wandelnden philosophischen Paradigmen der Kunstbegriffe zwischen Autonomisierung und Idealisierung in dieser Zeitspanne. Die Entwicklung der Relativitätstheorie durch Einstein und die Entwicklung der Psychoanalyse durch Freud, dazu die Etablierung der Sozial- und Gesellschafts-wissenschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts, waren geistesgeschichtlich Wegbereiter, ebenso wie der zeitgeschichtliche Kontext mit Koloniegründungen, den Neonationalismen, dem ersten Weltkrieg und den Revolutionen, waren für die künstlerische Bewusstseinsbildung maßgebliche Begleitumstände. Das Projekt der historischen Avantgarden wird allgemein durch die Positionen von Bürger, Lindner und Enzensberger paraphrasiert als Versuch der Rückführung der Kunst in die Lebenspraxis. Der italienische Futurismus unter Marinetti, als erste der historischen Avantgarden, formierte sich bewusst als anti-passatistische Kulturbewegung in Italien. Alles Alte, jedwede traditionsgegründete Kunstform war den Futuristen verhasst. In unterschiedlichen Manifesten propagierten sie Thesen für einen Neue Kunst. Die Beteiligung des Publikums provozierten sie bei skandalträchtigen Abendveranstaltungen (Seratas) in den großen Theatern Norditaliens. Ohne je ein physisches Kunstwerk geschaffen zu haben, das partizipatorisch genannt werden kann, haben sie mit den ergebnisoffenen, teilweise improvisierten Seratas, das Publikum zu unkontrollierbaren Beteiligungen provoziert, die immer gestaltend in den Ablauf der Veranstaltung eingegriffen haben. Der Dada Bewegung, die in Zürich ihren Ausgangspunkt nahm, ist die Dekonstruktion des Wertebegriffs in der Kunst zu verdanken. Geprägt durch den 1. Weltkrieg, war es vor allem der Zweifel an allen normierenden Vorgaben, die das künstlerische Denken der Exil-Schweizer verband. Das Fragmentarische, Billige, Einfache, Zufällige, Unschöne, Nicht-sinnhafte, Widersprüchliche, Provokative, Unlogische und auch Experimentelle prägte das Züricher Kunstschaffen, was um den Aspekt der Agitation und Politisierung von den Berliner Dadaisten ergänzt wurde. Ohne die Adressaten, das teilnehmende Publikum, waren auch deren Aktionen wirkungslos. Aufforderungen ergingen an Ausstellungsbesucher in Berlin, Exponate umzuhängen oder in Köln, mit einem Beil auf einen Holzklotz einzuschlagen. Wenn der Zufall als Produktionsinstanz angenommen werden konnte, musste nicht mehr ausschließlich der Künstler Werkproduzent sein. Der Pariser Surrealismus, von versprengten Dadaisten mit initiiert, machte den Einzelnen, Autor und Rezipient in seiner einmaligen Individualität, Phantasie oder seinem Unbewussten, zur Hauptfigur und erweitere die künstlerischen Produktionsformen z.B. durch das kollektive Zeichnen, (Cadavre Exquis), einer frühen form der multiplen Autorenschaft. Als erste weltumspannende Kunstbewegung verbreitete der Surrealismus seine Vorstellungen global und exportierte anlässlich großer Gruppenausstellungen, bei denen das Publikum immer als mitwirkend Tätiges einbezogen wurde, das gedankliche Rüstzeug zu partizipativen Kunstformen. Als Begleiter aller drei Bewegungen, mit seiner eigenen künstlerischen Sozialisation bei den Pariser Kubisten, wird Duchamp zum Theoretiker und Erfinder auf Partizipation angelegter Prototypen (Avec Brut Secret, Fahrrad-Rad, u.a.) aber mehr als andere Künstler Vorbild für nachfolgende Generationen die Erweiterung des Kunstbegriffs voran zu treiben. Auch wenn die Werke der historischen Avantgarden, die man als partizipativ bezeichnen kann zahlenmäßig gering sind, so macht die vorgelegte Untersuchung deutlich, dass sie die Wegbereiter für alle folgenden Modelle zur Betrachterpartizipation waren.
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Hybride Bilder : Studien zum Produktivwerden technischer Reproduktion (1880-1930)
(2008)
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Ines Lindner
- Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der spezifische Produktivität der reproduktiven Medien für die Bildpraktiken im 20. Jahrhundert. Als Basis der Produktivität erweisen sich in der medienhistorisch orientierten Untersuchung gerade die Eigenschaften technischer Reproduktion, die für eine Destabilisierung des traditionellen Bildbegriffs gesorgt haben: Die hybride Verfassung technischer Bilder und ihre massenhafte Verbreitung. Die massenhafte Verbreitung schafft nicht allein ein unerschöpfliches und leicht verfügbares Bildreservoir; sie ändert das Verhältnis von Bild und Schrift. Die hybride Verfassung technischer Bilder, die nie reine Aufzeichnung sind, aber auch nie bloss individueller Ausdruck, erfordert ein ständiges Aushandeln zwischen der technisch apparativen und der gestalterischen Seite. Die gegenüber dem 19. Jahrhundert tiefgreifend veränderten Bildstrategien des 20. Jahrhundert entwickeln sich im Kontext neuer visueller Ökonomien, die sich zwischen 1880 und 1930 herausbilden. Das erste Kapitel befasst sich mit der Hybridität des Mediums Fotografie. Es verfolgt historische Aushandlungsprozesse, die seine Geschichte bestimmt haben. Am prägnanteste zeigt Alfred Stieglitz’ Versuch, die Fotografie kunstfähig zu machen, wie überaus komplex sie sind. Als Fotograf, Kunsttheoretiker und Vermittler arbeitet er auf vielfachen Ebenen mit Hybridisierungen, um dem neuen Medium eine Akzeptanz im Kunstbereich zu sichern. Er beginnt damit, fotografische und malerische Techniken zu verschränken, geht über zur Schaffung hybrider Räume, in denen er Fotografie und Kunst gemeinsam präsentiert, und entwickelt schließlich das Konzept einer genuin amerikanischen Kunst, in der die Fotografie integrativer Bestandteil ist. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Effekten technischer Reproduktion. Ende der 20er Jahre steigt die Produktion und Zirkulation analoger Bilder sprunghaft an. Theoretiker wie Kracauer und Benjamin reagieren kritisch auf die Bilderflut, erkennen aber in der Verfügbarkeit der Bilder auch Möglichkeiten für einen anderen Umgang. Die französische Avantgarde-Zeitschrift Documents ist die Publikation, die davon am radikalsten Gebrauch macht. Hier arbeiten Georges Bataille, Carl Einstein und Michel Leiris mit der Deregulierung der Abstände zwischen den Bildern und zwischen Bildern und Texten mit dem Ziel, bürgerliche Gewissheiten über Kunst und Wissenschaft zu demontieren. Die mediale Erfahrung von Fotografie und Film zeigt sich an der Ausbildung neuer künstlerischer Verfahren auch da beteiligt, wo kein analoges Bildmaterial verwendet wird. Das dritte Kapitel analysiert Materialauswahl und Formen der Montage in Max Ernsts Collageromanen. Dieser bezieht sich explizit auf die Bewegungsfotografie des ausgehenden 19. Jahrhunderts und nutzt sie als Modell für die Erzeugung surrealistischer Effekte. Die Verwendung von naturwissenschaftlichen Abbildungen und Romanillustrationen bringt die Trennung zwischen den Bereichen zum Einsturz. Max Ernsts Technik der nahtlosen Verfugung lässt hybride Bildwelten entstehen. Ziel der Arbeit ist es, quer zu den stilgeschichtlichen Einordnungen die Veränderungen in den Bildpraktiken zu denken, und mit den Einzelanalysen die These von der experimentellen Produktivkraft der analogen Medien für die visuellen Kulturen im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit zu belegen.
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Richard Hamilton: >Path of Romance< : die skatologischen Werke der 70er Jahre. Soft pink landscape und Soft blue landscape, Flower-piece I-III, Sunrise und Sunsets
(2008)
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Gesine Tosin
- Richard Hamilton arbeitet in den 70er Jahren an einem Werkkomplex, der skatologische Motive mit 'schönen' Bildansichten verknüpft. Die Landscapes, Flower-pieces und Sunsets folgen in ihrem Bildentwurf, ihren Darstellungsmodi und ihrer Motivik einer Bildsprache, die sich der geläufigen Rezeption von Hamiltons Werk im Kontext der Pop Art widersetzt und bisher nicht eingehend untersucht wurde. Die vorliegende Arbeit befasst sich in gattungsgeschichtlichen, motivischen und medienspezifischen Analysen der einzelnen Gemälde, Zeichnungen und druckgraphischen Paraphrasen mit Hamiltons reflektierter und subversiver Auseinandersetzung mit tabuisierten Bildinhalten, Strategien der Sublimierung und Bildtraditionen transzendentaler Erfahrungsräume. Hamiltons 'Path of Romance' erweist sich dabei als komplexes Referenzsystem, das Werbeanzeigen, historische Bildgattungen und Motive, Kategorien des Undarstellbaren und des Erhabenen miteinander verschränkt. Im Rückgriff auf vorgefundenes Material, das aus seinem ursprünglichen Kontext isoliert und in den der Kunst projiziert wird, bedient sich Hamilton einer Vorgehensweise, die Marcel Duchamp in seinem Konzept des 'Ready-made' vorgeführt hat. Mit der Entbehrlichkeit realer Objekte als Gegenstand eines Bildes, mit der Präsenz tradierter Bildmotive auf der 'grossen visuellen Matrix' werden die Grenzen zwischen objektivem Abbild und künstlerischer Subjektivität, zwischen photographischer Aufnahme und malerischem Eingriff ebenso aufs Spiel gesetzt wie die Begriffe von Original und Vervielfältigung an Kontur verlieren. Insbesondere im komplexen Wechselspiel zwischen den Gemälden, den Zeichnungen und dem druckgraphischen Werk mit seinen historischen Techniken werden die Fragen nach Urbild und Abbild, Original und Reproduktion thematisiert. Die Wertigkeit von Gemälden und 'prints' verliert ihre differenzierenden Massstäbe, der raffinierte Witz liegt in der 'Verschwendung' technischer Bravour an das Prinzip der Vervielfältigung. Der Bezug auf den historischen Zusammenhang von Malerei, Zeichnung und Graphik, von 'Hochkunst' und Capriccio, von Norm und Normverletzung und deren kalkulierte Verkehrung im Kontext der 70er Jahre zeugt von einer künstlerischen Strategie, mit der Hamilton seinen Werkkomplex fast unbemerkt dem Gestus des Provokanten einschreibt. Dabei ist das explizit Skatologische nicht ein Aspekt des 'Abjekten', wie es im 'shit-movement' der 90er Jahre zum Ausdruck kommen wird; Hamiltons Interesse gilt vielmehr einer kühlen Dekonstruktion medialer Darstellungspraxis durch das Freilegen ihrer Referenzen und Auflösung illusionärer Bildräume, in die sich das unvermittelt 'Wahrhaftige' hineinimaginiert. Wenn Hamilton die skatologische Trilogie der Landscapes, Flower-pieces und Sunsets in den Kontext von 'Natur' stellt, so ist das Exkrement nicht allein der irritierende Stoff, mit dem sich illusionistische, verkitschte Bildansichten oder obsolet gewordene Bildsujets im Kontext zeitgenössischer Bildproduktion legitimieren können. Vor dem Hintergrund seiner Indienstnahme tradierter Kunstpraxis erscheint das Exkrement bei Hamilton emblematisch als kalkuliert gesetztes Ferment einer reflektierten künstlerischen Produktion.
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Die Aktualisierung der Alchemie im Werk von Joseph Beuys : der Beuys-Block als Manifestation eines okkultistisch geprägten Weltbildes
(2007)
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Stephan Malaka
- Die vorliegende Dissertation widmet sich ausfuehrlich dem in der Sekundaerliteratur bis dato nur spaerlich behandelten Einfluss alchemistischen Gedankengutes auf das Schaffen von Joseph Beuys. Im Zentrum der Eroerterungen steht dabei der „Block Beuys“ im Darmstaedter Landesmuseum, die wohl umfangreichste der vom Kuenstler realisierten Rauminstallationen. Im Anschluss an die einfuehrende Beschreibung wird der Nachweis gefuehrt, dass die Installation formale Analogien zum christlichen Sakralraum, den Kunst- und Wunderkammern des 16. bis 18. Jahrhunderts sowie der Formensprache der kuenstlerischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts aufweist. All diesen kulturellen Entaeusserungen ist ihre Affinitaet zum Okkulten gemein. Dass sowohl die Beuyssche Auffassung vom Christentum als auch sein Wissenschafts- und sein Kunstbegriff zutiefst von der Anthroposophie Rudolf Steiners gepraegt ist, seine Kunst mithin als Manifestation eines okkultistisch gepraegten Weltbildes angesprochen werden muss, ist ein erster wesentlicher Ertrag der Arbeit. Die Anthroposophie als eine okkultistische Lehre ist erwachsen aus der Steinerschen Rezeption der Schriften Goethes. Insbesondere dessen Betrachtungen zur Metamorphose aber aktualisieren alchemistisches Gedankengut. Die Anthroposophie Steiners sowie die Metamorphosenlehre Goethes sind jene Mittlerinstanzen, durch die alchemistisches Gedankengut an Joseph Beuys herangetragen wird. Die alchemistische Transmutation, die Metamorphose Goethes und die „plastische Theorie“ von Joseph Beuys sind einander analoge Vorstellungen. Sie fassen das Leben auf als einen fortwaehrenden Prozess des dynamischen Ausgleichs zwischen polaren Prinzipien zum Zwecke seiner Hoeherentwicklung. Der Mensch steigt dabei auf zum Vollender der ins Unbestimmte metamorphisierenden Natur. Als Erloeser der an die Materie verfallenen Natur wird der Mensch zum Selbsterloeser, substituiert sowohl der Alchemist als auch der Kuenstler Beuysschen Gepraeges die Erloesungstat Christi. Vor dem Hintergrund einer ausfuehrlichen Darlegung der geschichtlichen Entwicklung der Alchemie zeigt die Dissertation an ausgewaehlten Beispielen, wie wesentliche Theoreme der historischen Alchemie im Beuys-Block ihren Niederschlag finden und mit den formalen Mitteln der Kunst der Avantgarden aktualisiert werden. Die Ausfuehrungen schliessen mit dem Nachweis, dass nicht allein einzelnen Arbeiten aus der Darmstaedter Installation eine grundlegende Verwobenheit mit Grundannahmen der Alchemie eignet, sondern der Beuys-Block insgesamt als Manifestation eines okkultistischen Weltbildes angesehen werden muss, das massgeblich alchemistisch gepraegt ist.
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Osmose und Ephémère - Zwei immersive virtuelle Umgebungen von Charlotte Adèle Davies aus den Jahren 1995 und 1998
(2010)
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Susanne Ackers
- Die Entstehung des Center for Advanced Visual Studies (CAVS) am Massachussetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, Massachussetts, Boston, im Jahr 1967 kann personell bis zum Weimarer Bauhaus zurückverfolgt werden. Die Gründung des ersten international ausstrahlenden Ortes für Medienkunst in Deutschland im Jahr 1988, dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, steht in dieser Tradition. Charlotte Davies schuf in ihrer aktiven Rolle bei der Gründung der Softwarefirma „Softimage" im Jahr 1988 zur Herstellung von dreidimensionalen Bewegtbildern eine privatwirtschaftlich getragene Produktionsstätte, in der sie unabhängig von öffentlichen Institutionen und der dort geförderten Ästhetik in den 1990er Jahre Meilensteine der Medienkunst herstellte: „Osmose" (1995) und „Ephémère" (1998). Ihre unverkennbare Ästhetik eines „Virtuellen Impressionismus" prägte indirekt auch die kommerzielle Karriere von „Softimage" und deren Anwendungen in der Filmwirtschaft zur „realistischen" Produktion von irrealen Bildwelten. Zeichnungen, Aquarelle, Ölgemälde, Fotografien, Filme, Computergrafik und ‚mixed media' Ansätze aus den Jahren 1973 - 1987 lassen die starke emotionale Verbindung von Charlotte Davies zu ihrem Heimatland Kanada erkennen. Unveröffentlichtes Tagebuchmaterial bestätigt die über Jahrzehnte hinweg verfolgbare Strategie, eigene intensive Naturerlebnisse in künstlerische Medien zu übersetzen. Diese Vision wird realisiert und gipfelt in „Osmose" und „Ephémère". Die kunsthistorische Anbindung der beiden immersiven virtuellen Umgebungen geht aus von Erwin Panofskys Ausführungen (1924/25) zur „Zentralperspektive als Symbolischer Form". Die exemplarisch für die Zeit seit der Renaissance stehende mit dem Fluchtpunkt scheinbar geschlossene Bildform wird anhand der Arbeiten von Charlotte Davies weiterentwickelt zur Figur der „Asymptote als Symbolischer Form". Die ständige Repositionierung innerhalb einer kontinuierlichen Bewegung in die Bildtiefe ist ästhetisch in den „unscharfen" immersiven Umgebungen von Char Davies erlebbar. Die kunsthistorische und philosophische Kontextualisierung von „Osmose" und „Ephémère" bietet einen neuen Aspekt an für das Verständnis der Cyberspace-Utopie der 1990er Jahre. Darauf fußend wird der Wandel des Raumbegriffs, hier im Ausblick als ‚erweiterter Raum' (‚augmented space') bezeichnet, als aktueller Diskurs fassbar: Wohin geht die Reise?
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Schlägel, Eisen und Hakenkreuz : das Thema Bergbau im Werk des Malers Karl Reinecke-Altenau
(2010)
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Kai Gurski
- Die kunstwissenschaftliche Arbeit „Schlägel, Eisen und Hakenkreuz – Das Thema Bergbau im Werk des Malers Karl Reinecke-Altenau“ von Kai Gurski befasst sich mit einer Künstlerpersönlichkeit der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, die im kulturhistorischen Kontext ihrer Heimatregion gewisse Bedeutung erlangte: So wurde Karl Reinecke-Altenau (1885-1943) bereits ab den 1920er Jahren von Zeitgenossen als regionalkulturelle Identifikationsfigur des Harzes, speziell des Oberharzes, wahrgenommen. Sowohl im Selbstverständnis des Künstlers als auch in der Rezeption durch die bürgerliche Kunstöffentlichkeit wurden seine Bilder als bedeutsame Ergebnisse einer intensiven künstlerischen Auseinandersetzung des Malers mit der Harzer Landschaft und Regionalkultur und speziell mit dem von der Bergbautradition geprägten Volkstum begriffen. In der Tradition der Kulturreform- und Heimatschutzbewegung des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts kehrte der Künstler >Volkstümlichkeit<, >Bodenständigkeit< und >Natur- und Heimatverbundenheit< als grundlegende Wertebasis seiner Identität und seines künstlerischen Selbstverständnisses in seinem Auftreten, in seinem künstlerischen Schaffen sowie in diversen als volkstums- und landschaftspflegerisch begriffenen Aktivitäten demonstrativ hervor. Diese Hinwendung zu einer vermeintlich originär volkstümlichen Kulturtradition und zu einem provinziellen Landschaftsraum begriff der Künstler – in Einvernehmen mit einem großen Teil der bürgerlichen Gesellschaft – als Kritik an der modernen international ausgerichteten, industrialisierten, urbanisierten Zivilisation. Mit volksbildender kulturreformerischer Intention wandte sich Reinecke-Altenaus Schaffen an eine gesellschaftlich breite Öffentlichkeit im Harz sowie an ein großstädtisch-bürgerliches Kunstpublikum in Hannover und fand an beiden Orten zeitlebens allgemeine Anerkennung. Sein Weltbild wies – bereits in den 1910er Jahren erkennbar – deutsch-völkische Ideologiemomente auf, die in seinem Werk im Verlauf der 1930er Jahre in verstärktem Maße zu Tage traten. Wissentlich und willentlich stellte er nach 1933 seine Arbeit vielfach in den Dienst nationalsozialistischer Organisationen, insbesondere in den Dienst der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Weder seine Förderer noch die zeitgenössische Kunstöffentlichkeit oder er selbst fassten diese Auftragsarbeiten als simple Propaganda auf, sondern begriffen sie als Kunst, die aus einem regionalspezifisch originären, dezidiert deutschen Volkstum erwächst und in der etablierten bürgerlichen Kunsttradition des 19. Jahrhunderts steht. Reinecke-Altenaus Schaffen ist ein repräsentatives Beispiel für eine bewusst konservative Strömung innerhalb der deutschen Kunst der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, die sich auf einem bürgerlichen Kunstverständnis des 19. Jahrhunderts bauend als Gegenposition zur elitär aufgefassten künstlerischen Avantgarde definierte und in jenen Jahren eine breite öffentliche Akzeptanz erfuhr. Die Arbeit Kai Gurskis begegnet der kunst- und kulturgeschichtlichen Thematik mit einem historisch-kritischen Ansatz. Neben der empirischen Untersuchung repräsentativer Bilder Reinecke-Altenaus wird das Werk des Künstlers im geistesgeschichtlichen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Kontext und unter seinen zeithistorischen Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen betrachtet. Im Fokus der Untersuchung steht beispielhaft die Bildthematik des Bergbaus, der aufgrund seiner Schlüsselrolle für die Harzer Kulturgeschichte ein zentrales Moment im heimatbezogenen Selbstverständnis Reinecke-Altenaus ausmachte und in den 1930er und 1940er Jahren das Hauptthema seiner im Auftrag entstandenen repräsentativen Wandbilder war.
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Kleinraumdisko : junge Kunst der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
(2010)
- Kunst wird in der Stadt diskutiert. Nicht nur bei den Eröffnungen und unter Experten, sondern auch nachts unter Jugendlichen, die sich eigentlich nur beim Kiosk nebenan Zigaretten kaufen wollten (aus dem Intro von Sylvia Franzmann und Lisa Seebach). Das Studentische Projektbüro FÜRundMIT verfolgte mit der Ausstellungsreihe „kleinraumdisko - junge Kunst der HBK“ sowohl die Vernetzung der verschiedenen Fachbereiche untereinander, als auch den Dialog zwischen der Hochschule der Bildenden Künste und der Stadt Braunschweig. Der Katalog zur Ausstellungsreihe dokumentiert, vermittelt und experimentiert.